Meck-Pomm-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Meck-Pomm-Lese
Unser Leseangebot
Knalltüten - Ulf Annel
Kindergedichte für ganz Große Knalltüten

Gedichte 2012, 32 Seiten, 23 farbige Illustrationen von Katrin Kadelke
Tonnenabschlagen

Tonnenabschlagen

Anette Huber-Kemmesies

Ein typischer Brauch in Mecklenburg-Vorpommern.
Vor allem im Sommer findet auf dem Darß und Fischland das traditionelle Tonnenanschlagen statt. Der Parcours, der auf einer Festwiese aufgebaut wird, erinnert entfernt an jenen, der zur ritterlichen Tjost errichtet wurde. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich eben jener Unterschied zwischen dem Tonnenabschlagen und dem Tjosten: Denn das Lanzenstechen, jenes Tjosten, war nur adligen (Rittern) vorbehalten, während sich das Tonnenabschlagen bei der ländlichen und einfachen Bevölkerung äußerster Beliebtheit erfreute. Doch dies ist nur eine mögliche Ursprungsgeschichte des Tonnenabschlagens.
 
Neben der möglichen Verwandtschaft zum Tjosten gibt es auch die Erklärung, das Tonnenabschlagen sei aus der fast 170-jährigen Besatzung Schwedens entstanden. Diese Möglichkeit ergibt sich aus dem Zehnten, einer steuerlichen Abgabe, hier in Form von Heringen, die die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns abgeben mussten. Nach Ende der schwedischen Besatzung wurden Heringsfässer - so wie heute auch noch - als Zeichen der Befreiung von den Besatzern zerschlagen. Und zwar in Form eines Turniers. 
Kindertonnenabschlagen
Kindertonnenabschlagen
Zwar sprechen die Barther Protokollbücher vom Tonnenabschlagen, dass bereits 1774 stattgefunden haben soll, was darauf hinweist, dass der Brauch sich schon während der schwedischen Besatzung entwickelte, doch schließt das eine das andere ja nicht aus. Man könnte das Tonnenabschlagen während der Besatzung durch die Schweden auch als Protest-Aktion sehen. Doch auch das ist nur eine vage Vermutung. 
 
Eine ganz zweifelhafte Version des Turniers ist jene, in der man eine Katze in jenes Fass steckt und es dann mitsamt des Tieres abschlägt. Diese brutale Maßnahme sollte das Böse, welches durch die Katze symbolisiert wurde, vertreiben. Doch egal ob die Nachahmung ritterlicher Spiele für das einfache Volk, der Befreiungsschlag, die Protest-Aktion oder die brutale Version: die Entwicklung und Herkunft, also der Zweck des landestypischen Brauches ist und bleibt schleierhaft. Vermutlich aber steckt in jeder dieser Legenden ein Fünkchen Wahrheit.
 
Die Regeln des Turniers sind denkbar einfach: Über der Mitte des Parcours, der an beiden Enden über eine Auslaufbahn verfügt, befindet sich ein Gestell an dem ein Heringsfass befestigt ist. Die Spieler zu Pferde versuchen nun im Vorbeireiten mit einem Schlag pro Ritt das Fass mit einem Knüppel abzuschlagen. Dabei gibt es mehrere Würdenträger: Wer Sand-, Boden-, Tonnen- oder Stäbenkönig wird, entscheiden die Regeln. Den Titel Sandkönig trägt der, der zuerst von Pferd fällt. Der Bodenkönig ist der, der zuerst den Boden der Tonne oder des Fasses abschlägt. Als Tonnenkönig wird der bezeichnet, der das letzte Stück Holz, das sich am Haken befindet, abschlägt. Und zum Stäbenkönig - nur in einigen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns üblich - wird der gekürt, der das letzte gebogene Seitenbrett abschlägt. Die Reiter selbst werden als Tonnenbrüder bezeichnet. Vermehrt gibt es auch Tonnenschwestern.

Und wer sich dieses Specktakel nicht entgehen lassen will, sollte sich rechtzeitig informieren. Auf dem Darß ist die Tradition fest im Kalender der Einwohner verankert: Verlässlich am 4. Sonntag im Juni in Wieck, am letzten Sonntag im Juli in Prerow und am ersten Sonntag im August in Born findet das Tonnenabschlagen statt. Aber auch andernorts rund um die Küste finden sich viele Hinweise auf das Tonnenabschlagen. Und wer sich das Spektakel im Winter ansehen möchte, sollte sich das Fastnachtstonnenabschlagen in Born nicht entgehen lassen. 

*****

  
  

Fotos: 
Tonnenabschlagen in Ahrenshoop und Kindertonnenschlagen, Stefan Reiche, Tonnenbund Ahrenshoop, CC-by-sa 2.0/de, Wikipedia

Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen