Diese Sage gibt eine plausible Erklärung über die Entstehung des Ortes „Heiligendamm", und aus welchem Grund die Einwohner sich an diesem Ort besonders sicher fühlen können.
An der Ostsee in der Nähe von Doberan war ein Ort in großer Bedrängnis von der Flut, und die Einwohner sahen ihr sicheres Verderben vor Augen. Mit jedem Tage entführte die Flut ein Stück vom Lande, schon drohte dem nächst am Ufer gelegenen Häusern der Untergang. Da wurden im ganzen Mecklenburger Lande Betstunden angeordnet, und das Flehen und Schreien eines ganzen Landes fand Gnade vor Gott, dem Herrn. Zum letzten Male hatten sich mit Furcht und Zagen die Bewohner zum Schlummer niedergelegt, und viele fanden ihn nicht, denn die See rauschte gewaltig und ging hohl, und der Boden erzitterte, und es zuckten Blitze über die Meereswogen. Dann wurde es stiller, und der Mond trat hinter Wolken hervor, und da schauten manche vom Strande ängstlich hinaus. Vor ihnen lag etwas Großes, Dunkles im Wasser, und manche meinten, es sei ein gewaltiger Kraken, der seinen inselgleichen Rücken aus der Flut hebe, und als der Tag kam, siehe, so verlief sich das Wasser mehr und mehr vom Strande, und vor den Blicken der erstaunten Bewohner lag eine hohe Düne wie ein Wall und fester Damm. Der war auf das Gebet des Landes in einer Nacht entstanden durch die göttliche Hilfe, und alles Volk lobte Gott, und sie nannten den Damm den heiligen Damm und konnten ihn nicht ohne Dank und Verehrung erblicken.
aus dem Buch: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1930
bearbeitet von Florian Russi
Bildquelle: Heiligendamm um 1841 Salon und Badehaus, gemeinfrei