Schriftsteller, Zeichner, Maler und Bildhauer: selten war ein Künstler so vielseitig wie Ernst Barlach. Vor allem seine Skulpturen „Der Schwebende“ oder „Der Rächer“ sind weltweit bekannt. Kaum eine andere Stadt ist heute mehr mit dem Leben, Werk und Schaffen Ernst Barlachs verbunden als Güstrow, die seit 2006 offiziell den Titel „Barlachstadt“ trägt.
Kindheit im Fürstentum Ratzeburg
Ernst Heinrich Barlach wurde am 2. Januar 1870 als ältester Sohn des Landarztes Georg Gottlieb Barlach (1839–1884) und seiner Frau Johanna Louise (1845–1920) in Wedel geboren. Nur zwei Jahre später zog die Familie in die mecklenburgische Kleinstadt Schönberg, damals Hauptsitz des Fürstentums Ratzeburg, wo der Vater eine Anstellung als Arzt hatte. In Ratzeburg und Schönberg verbrachte Barlach seine Kindheit. Schon während seiner Schulzeit fiel seinen Eltern und Lehrern die künstlerische Begabung des Jungen, insbesondere sein Talent für bildnerische und sprachliche Gestaltung, auf.
Stationen in Hamburg, Dresden und Paris
Nach der Schulzeit in Schönberg zog Barlach mit 18 Jahren nach Hamburg, wo er bis 1891 an der Schule für Kunstgewerbe studierte. Von 1891 bis 1895 war er Meisterschüler des Bildhauers Robert Diez (1844–1922) an der Kunstakademie Dresden. Barlachs Abschlussarbeit, die Plastik „Die Krautpflückerin“ von 1894, war seine erste bedeutende bildhauerische Arbeit.
Aber bereits während seines Studiums der Bildhauerei begann Barlach mit dem Schreiben. Nach dem Studium in Sachsen ging er nach Paris, um sich dort ganz der Schriftstellerei zu widmen. Ab 1897 arbeitet er als freischaffender Künstler. Zu Beginn der 20. Jahrhundert wurde Ernst Barlach v. a. durch verschiedene Dramen bekannt, darunter Stücke wie „Der tote Tag“ (1912) oder „Der arme Vetter“ (1918), die von ihm auch illustriert wurden.
Rückkehr nach Wedel
1901 zog Barlach zurück in seine Geburtsstadt Wedel. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, arbeitete er nebenbei mit Robert Mutz (1872–1931), einem Mitschüler der Kunstgewerbeschule in Hamburg, in dessen Töpferwerkstatt in Altona. Eine Reise nach Russland 1906 und die dort gesammelten Eindrücke über das Leben der Bauern und die russischen Volkskunst waren für die weitere Entwicklung des Künstler prägend.
Berliner Secession
Nach Zeichnungen für das Münchener Satireblatt „Simplicissimus“ wurde Barlach 1907 Mitglied der Berliner Secession, einer Künstlervereinigung des deutschen Impressionismus. Im gleichen Jahr stellte er erstmals beim Frühjahrssalon des Berliner Kunstsammler Paul Cassirer (1871–1926) aus. Damit wurden Barlach und seine Werke immer mehr anerkannt. Dazu trugen auch der Villa Romana Preis, den Barlach 1908 erhielt, sowie das 1909 erteilte Stipendiat an der Villa Romana von Florenz bei.
In Güstrow angekommen
1910 zog Barlach mit seiner Mutter und seinem Sohn Nikolaus (1906–2001) nach Güstrow. Nikolaus stammt aus einer kurzen Beziehung zu einem Model. Nach langen Gerichtsstreit wurde Barlach das Sorgerecht für den Jungen zugesprochen.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 meldete sich Barlach freiwillig zum Kriegsdienst, wurde aber aufgrund seiner Alters erst Ende 1915 eingezogen. Während seines Kriegsdienstes in Sonderborg (Dänemark) entwickelte er sich zum strikten Kriegsgegner. Nach einer z. B. von Max Liebermann (1847–1935), Max Slevogt (1868–1932) u. a. Mitgliedern der Berliner Secession verfassten Petition wurde Barlach nach nur zweimonatigem Kriegsdienst verfrüht entlassen.
Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg
Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges wurde Ernst Barlach 1919 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, was ihm nicht nur Anerkennung als Bildhauer, sondern auch als Grafiker und Schriftsteller in einer breiten Öffentlichkeit einbrachte. 1924 erhielt der Künstler für ein Stück „Die Sündflut“ den Kleist-Literaturpreis.
Nach der Scheidung des befreundeten Ehepaars Böhmer 1927 wurde Marga Böhmer (1887–1969), selbst Bildhauerin, die Ehefrau Barlachs. Bernhard Böhmer (1882–1945) blieb Freund der Familie und Barlachs Kunsthändler.
Barlachs Skulpturen
Barlachs wohl bekannteste Skulptur „Der Schwebende“ im Güstrower Dom entstand 1927 als „Ehrenmal für die Gefallenen“. Dabei soll der Künstler die Gesichtszüge von Käthe Kollwitz (1867–1945) nachgebildet haben. In den folgenden Jahren stellte Barlach weitere bekannte Skulpturen fertig, wie z. B. 1928 den „Geistkämpfer“, aufgestellt vor der Kieler Universitätskirche, das Ehrenmal im Magdeburger Dom, eine Holzplastik aus dem Jahr 1929, oder 1931 die „Trauernde Mutter mit Kind“, bekannt als das Hamburger Ehrenmal.
Zeit des Nationalsozialismus
Vor allem wegen Anfeindungen aus dem nationalsozialistischen Lager konnte eine „Pieta für Stralsund“ 1932 nicht vollendet werden. Auch wenn Barlach als einer von 37 deutschen Künstlern den „Aufruf der Kulturschaffende“ zur Gefolgschaft Hitlers unterschrieb, wurde 1934 das „Magdeburger Ehrenmal“ aus dem Dom und 1936 seine Werke aus der Jubiläumsausstellung der Preußischen Akademie der Künste“ entfernt. Barlach erhielt 1937 Ausstellungsverbot und über 400 seiner Werke wurden auf Initiative der Nazis als „entartete Kunst“ aus Museen entfernt und teilweise sogar zerstört.
Aufgrund dieser Repressalien verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Künstlers zusehends. Nach kurzem Klinikaufenthalt in Rostock starb Ernst Barlach am 24. Oktober 1938 nach einem Herzinfarkt und wurde im Grab seines Vater auf dem Friedhof in Ratzeburg beigesetzt. Der Wunsch Barlachs, seine Werke mögen in der Güstrower Gertrudenkapelle ausgestellt werden, konnte seine Ehefrau als Nachlassverwalterin erst 1953 erfüllen.
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Bildquellen:
Vorschaubild: Ernst Barlach, Selbstporträt, 1928 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Ernst Barlachs Geburtshaus in Wedel, 2018, Urheber: Zamekrizeni via Wikimedia Commons Copyrighted free use.
Bundesarchiv Bild 183-1985-0614-502, Berlin, Jury der Sezessionsausstellung, 1911, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de,
Bundesarchiv Bild 183-W0906-008, Güstrow, Ernst-Barlach-Gedenkstätte, 1980, Urheber: Sindermann, Jürgen via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de.
Hamburg Rathaus mit Mahnmal, 2004, Urheber: KMJ via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Der Schwebende, auch Güstrower Ehrenmal, Güstrower Dom (1927)Skulptur von Ernst Barlach, 2011, Urheber: Jens Burkhardt-Plückhahn via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.