Wahrscheinlich auf einer Lagebesprechung am 29. April 1945 entschieden die zurückgebliebenen nationalsozialistischen Entscheidungsträger, die „Gorch Fock“ zu versenken. Durch das Näherkommen der Roten Armee herrschten in der Stadt chaotische Zustände, und sie wollten das Schiff nicht den Sowjets überlassen. Doch schon einen Tag danach, am 30. April, stand die Vorhut der sowjetischen Armee in Sichtweite zur Gorch Fock, in Devin. Ein Panzer beschoss das Schiff über 45 Minuten, aber nur drei Granaten trafen Rumpf und Takelage. Schon am Morgen hatten die Nationalsozialisten Sprengstoff an Bord gebracht, mussten ihn aber, trotz des Beschusses, mit einer Zündschnur zünden. Stunden später sank die Gorch Fock auf den Grund. Nur ihre Takelage ragte aus dem Wasser heraus. Sie lag auf der Position 54º 17’ 28’’ N, 13º 8’ 22’’ O im Strelasund. Die Gorch Fock I wurde 1933 gebaut. Die Stammbesatzung bildeten neun Offiziere plus 56 Männer. Erstmals lief sie 1935 ihren Heimathafen Stralsund an. Unter der Reichskriegsflagge fahrend, diente sie weniger zu Schulungs-, als zu Wohnzwecken.
Kurz vor Kriegsende kehrte sie in die Hansestadt zurück. Über zwei Jahre lag sie gesunken im Strelasund. Im Juni 1947 wurde die Gorch Fock gehoben, wieder seetüchtig gemacht und fuhr doch noch als Reparationsleistung in ihren neuen Heimathafen, den sowjetischen Cherson. „Towarischtsch“ (deutsch: Kamerad, Genosse) hieß sie jetzt und wurde das Segelschulschiff der russischen Marine. In den 1990ern lag sie in relativ schlechtem Zustand in der Ukraine im Schwarzen Meer. Der Verein Tall-Ship Friends „rettete“ sie und brachte sie auf die Expo 2000 nach Wilhelmshaven, wo sie als Flaggschiff im Hafen prangte. Der Namensgeber des Schiffes hieß mit bürgerlichem Namen Johann Wilhelm Kinau. Er war weder bei der Marine beschäftigt noch hatte sein Beruf etwas mit der Seefahrt zu tun. Eigentlich. Dennoch trieb den Schriftsteller zeit seines nur 36 Jahre währenden Lebens die Seefahrt um. Er kam 1880 in Finkenwerder bei Hamburg in einer Seefahrerfamilie zur Welt. Nachdem er wegen seiner schlechten Konstitution die Seefahrertauglichkeit, die sein Vater an ihm testete, nicht bestand, machte er eine kaufmännische Ausbildung. Doch die Seefahrt ließ ihn nicht los. Zum einen wurde er 1907 Buchhalter der Hamburg-Amerikalinie, zum anderem veröffentlichte er ab 1904 Gedichte und Erzählungen in dem breiten Finkenwerder Platt unter dem Pseudonym Gorch Fock.
Das Leben der Hochseefi scher von Finkenwerder beschrieb er in verherrlichender Weise in dem Roman „Seefahrt ist not!“. 1915 wurde er eingezogen, ein Jahr später wechselte er auf eigenen Wunsch zur Marine und tat Dienst als Ausguck auf dem vordersten Mast des Kleinen Kreuzers „SMS Wiesbaden“, der bei der Schlacht im Skagerrak 1916 versank. Heute liegt das ehemalige Schulschiff als schwimmendes Museum in Stralsund am Kai. Doch wieder ist es sanierungsbedürftig, und seine Schwimmfähigkeits-Bescheinigung läuft im Jahr 2020 ab. 2019 beabsichtigt die Stadt Stralsund die Touristenattraktion, die aus dem Hafen nur schwer wegzudenken ist, zu kaufen und zu sanieren.
Weitere Informationen:
Adresse:
Gorch Fock
An der Fährbrücke
18439 Stralsund
Tel.: 03831 666520
Internetauftritt: www.gorchfock1.de
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Textquelle:
Pixberg, Sandra: Stralsund: Die 99 besonderen Seiten der Stadt, Reiseführer, Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag, 2019.
Bildquelle:
Ebd. sowie
Gorch Fock 1916, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.