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Glücksdrachenpech, Ingrid Annel

Von Wassermännern, Drachen und Irrlichtern, Bertuch Verlag Weimar 2012.
Schaurige, lustige, gruselige und witzige Geschichten von Wassermännern, Drachen, Irrlichtern und dem Teufel, mit Illustrationen von Marga Lenz

Auff Ihren Abscheid auß Greiffswald / Gesang

Auff Ihren Abscheid auß Greiffswald / Gesang

Anette Huber-Kemmesies

Sybilla Schwarz kann als Wunderkind bezeichnet werden, trägt den Beinamen „pommersche Sappho“ und war doch lange unbeachtet. Das unten stehende barocke Gedicht ist eines von über 200, die Schwarzin im Alter zwischen 10 und 17 Jahren schrieb.
Sybilla Schwarz, manchmal auch Sybille Schwarz oder die Schwarzin (1621-1638 in Greifswald) kann als Wunderkind bezeichnet werden. Mit gerade mal 10 Jahren begann sie Gedichte zu schreiben. Sie beherrschte das Latein und befasste sich eingehend mit der Poetologie von Martin Opitz. Diese hohe Bildung war im 17. Jhd. gerade bei Mädchen und jungen Frauen sehr ungewöhnlich. Dies wird auch in dem posthum erschienen Gedichtband von Johan Reginchom bemerkt und in einem Gedicht betont. Darin heißt es, es sei „ein Wunderding", dass die Schwarzin, ein Mädchen „Von noch nicht achtzehn Jahren | Ein zartes Jungfräwlein (dergleichen man erfahren | Von keiner Manspersohn) hatt solche Verß geschrieben [...]." 
 
Sie wurde u.a. auch als die „pommersche Sappho", nicht zuletzt wegen ihrer bestechenden Sprache, die auch für die griechische Lyrikerin typisch war bezeichnet. Leider aber war ihr der Ruhm, der der griechischen Sappho heute noch vorauseilt, nicht vergönnt, denn trotz der Veröffentlichung ihrer über 200 Gedichte, geriet sie im 18.Jhd. in Vergessenheit. Ein Jahrhundert sollte es dauern, bis ihre Schriften wieder an Bedeutung gewannen. 
Neben Liebe und Tod ist vor allem auch immer wieder der Krieg ein Leitmotiv in den Gedichten der Sybilla Schwarz. Kein Wunder, kam sie doch inmitten des Dreißigjährigen Krieges in Greifswald zur Welt. Sie erlebte als Kind die Schreckensherrschaft Wallensteins, die mit der Übernahme Greifswalds durch die Schweden 1631 endete. Auch das unten stehende Gedicht erzählt von jenen kriegerischen Auseinandersetzungen, von Fluchtgedanken und der letzten Flucht. In Greifswald erinnert heute das sanierungsbedürftige Wohnhaus der Sibylla Schwarz in der Baderstraße an die junge und große Dichterin. 

Auff Ihren Abscheid auß Greiffswald / Gesang.
(Sybilla Schwarz)


Weil dann der Unholdt gäntzlich mir
Zum Greiffswald nicht will lenger leiden /
So bleibt dennoch mein Hertz alhier /
Undt wirdt sich nimmer von euch scheiden!
Wohin gedenckstu dann mein Sinn?
Ist doch Europa gantz voll Kriegen /
Es ist ja warlich kein Gewinn /
Von einem stets zum andern fliegen.
Zu Fretow wehr es gut genug /
Da Phebus mit den Töchtern sitzet /
Drüm wirt auch Fretow in das Buch
Der greisen Ewigkeit geschnitzet.
Da wehr ich fro undt ausser leit /
Da wolt ich lesen / tichten / schreiben /
Undt so den Nachrest meiner Zeit
Mit ohnverfälschter Trew vertreiben.
Itzt aber wil die Kriegerey
Zu Fretow keinen Menschen dulden /
Kein Ort ist von den Straffen frey /
Die ich undt du / undt der vorschulden.
Ich sag und klage für undt für /
Das manche lange Nacht verflossen /
Seit das ich auß der Frewden Thür
Bin gantz undt gahr hinauß gestoßen.
Was klag ich aber / weiß ich doch /
Das meiner Augen heisse Zähren
Nicht lindern dieses schwere Joch /
Noch meinem Elend mögen wehren.
Dan Trauren machet nur Verdruß;
Laß alle rauhe Winde wehen /
Laß sterben / wer da sterben muß /
Was wündscht man viel den Todt zusehen?
Dem Menschen ist gesetzt ein Ziel /
Das kan er auch nicht überschreiten /
Drüm ruff nur nicht den Todt zu viel /
Er schleicht dir nach auff allen seiten.
Was Odem bläst wirt nun geplagt /
Kein Mensche fült itzund genügen;
Man hört nicht mehr das einer fragt:
Wo mag der Weg nach Fretow liegen?
Nun gute Nacht / mein Vaterlandt!
Da weylandt große Lust zu schawen /
Ich muß mich nun Neptunus Handt /
Und Thetis saltzen Schoß vertrawen.
Gehab dich wohl / du werte Schar
Der Schwieger= und der Schwägerinnen!
Wer wirt nun mit euch übers Jahr
Ins Dannenholtz spatzieren künnen?
Wans euch nun geht / wie ihr begehrt /
Wen euwer Weinen wirt zu Lachen /
So denckt dan auch eins ohn beschwert
Was mag doch unsre Lybis machen?

(Quelle: Sibylle Schwarz: Deutsche Poëtische Gedichte. Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1650. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Helmut W. Ziefle. Bern, Frankfurt am Main, Las Vegas: Peter Lang, 1980.)

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