Neubrandenburg, zu DDR-Zeiten Bezirksstadt und eines der Oberzentren im Norden des Landes und heute Kreisstadt des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, liegt etwas abseits der von küstenvernarrten und badehungrigen Touristen bevorzugten Route. Zu Unrecht, wie ein genauerer Blick auf die Stadt und ihre wunderschöne und landschaftlich besonders reizvolle Umgebung inmitten der Mecklenburgischen Seenlandschaft beweist.
Neubrandenburg, mit etwa 63 500 Einwohnern (Stand Ende 2013) die drittgrößte Stadt im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern,liegt am nördlichen Ufer des Tollensesees, eines während der letzten Eiszeit entstandenen Zungenbeckensees mit einer Tiefe von bis ca. 31,2 Metern. Der zum Stadtgebiet gehörende See bietet den Neubrandenburgern und Gästen der Stadt mit Freibädern und Stränden, verschiedenen Fahrradrouten, Aussichtspunkten, Fahrgastschifffahrt sowie dem weitläufigen Kulturpark, der den See mit der Innenstadt verbindet, umfangreiche Erholungsmöglichkeiten.
Ein „neues" Brandenburg wird gegründet
Ihre Entstehung verdankt die Stadt Neubrandenburg dem Markgrafen von Brandenburg Johann I., der am 4. Januar 1248 mit der Unterzeichnung der Stiftungsurkunde den Bau der Stadt, eines „neuen" Brandenburgs, beauftragte. Der Bau eines Franziskanerklosters um 1260 trug wesentlich zum schnellen Wachstum der neuen Stadt bei. Um 1240, also kurze Zeit vorher, hatte bereits Herzog Kasimir I. von Pommern in Broda, heute ein Stadtteil von Neubrandenburg, mit der Errichtung eines Klostersbegonnen, um die überwiegend slawischen Bewohner des Gebietes zu christianisieren.
Um 1270 erhielt Neubrandenburg Stadtrecht und ein eigenes Wappen. Kurze Zeit später, um 1300, begann man, die bis heute noch fast vollständig erhaltene Stadtbefestigung zu bauen, die anfänglich aus Holzpalisadenzäunenbestand und später durch Steinmauern ersetzt wurde. Die vor allem zur Verteidigung der Stadt errichtete Stadtmauer umschließt die innere Stadt fast kreisförmig und wird von Wiekhäusern und den vier Stadttoren unterbrochen.
Die vier Stadttore sind heute das Wahrzeichen von Neubrandenburg. Sie gaben ihr den Beinahmen „Stadt der vier Tore".Zunächst nur als Verbindung zum Inneren der Stadt aus Holz errichtet, wurden im 14. Jahrhundert die heute noch bekannten Torbauten im Stil der Backsteingotik geschaffen. Die Stadttore wurden als Toranlage, bestehend aus einem der Stadt zugewendeten Haupttor und einem vorgelagerten Vortor, das meist deutlich niedriger war, gebaut. Mit Gründung des Herzogtums Mecklenburg-Strelitz im 18. Jahrhundert wurden die Toranlagen jeweils um ein Zollhaus für das Eintreiben der Steuern und ein Haus für den Torwärter ergänzt. Bis 1863 bestand in Neubrandenburg Torzwang, d. h. die Tore wurde über Nacht vom Torwächter verschlossen. Somit war die Stadt erst am nächsten Morgen nach dem Öffnen der Tore wieder frei zugänglich.
Die Namen der vier Tore bezeichnen jeweils die Richtung der Stadtausfahrt. So führt das Friedländer Tor, das älteste der vier Tore und zum Schutz der Stadt in Richtung Pommern angelegt, über die Bundesstraßen 104 und 197 in die nordöstlich von Neubrandenburg liegende Stadt Friedland. In den Fachwerkbauten der Toranlage des Friedländer Tors ist heute ein Sitz des Standesamts der Stadt Neubrandenburg zu finden.
Das Stargarder Tor bildet als zweitältestes Tor den südlichen Zugang zur Stadt in Richtung Stargard (heute Burg Stargard). Als Besonderheit bildeten zwei vorgelagerte Mühlen, von denen die Lohmühle heute noch erhalten ist und als Gaststätte genutzt wird, einen zusätzlichen Schutz.
Das in Richtung des früheren, nördlich gelegenen Treptows (heute Altentreptow) zeigende Treptower Tor, um 1400 errichtet, ist das prachtvollste von allen Toren der Stadtbefestigung. Es dokumentiert eindrucksvoll den Reichtum und Wohlstand der Stadt Neubrandenburg zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Auffallend ist, dass das Haupttor mit einer Höhe von knapp 32 Metern fast doppelt so hoch wie das ihm vorgelagerte Tor ist. Heute beherbergt das Treptower Tor einen Teil des Regionalmuseums der Stadt.
Das jüngste Tor der Stadtbefestigung ist das Neue Tor, das erst nach 1450 errichtet wurde. Wegen Baufälligkeit musste das Vortor der Toranlage bereits Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen werden, sodass heute nur noch das Haupttor in Richtung Osten vorhanden ist.
Von den ursprünglich 57 Wiekhäusern, die im Abstand von rd. 30 Metern wie kleine „Schwalbennester" direkt an die Stadtmauer gebaut worden sind, wurden nur 25 wieder hergerichtet, 23 davon im alten Fachwerkbau. Die Wiekhäuser, die die Stadtmauer um einige Meter überragten, dienten früher zum einen als sogenannte Kampfhäuser, andererseits als Beobachtungstürme. Aus ihren Mauervorsprüngen konnten die Bürger der Stadt die Angreifer schon vor der Stadtmauer abwehren und bekämpfen. Nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges und dem Beschluss der Stadt, ihren Festungscharakter aufzugeben, dienten die bis zu vieretagigen Wiekhäuser vor allem als Wohnstätte für ärmere Familien. Heute werden die ehemaligen Kampfhäuser der Stadtbefestigung meist als Ateliers, Gaststätten oder Cafés sowie als öffentliche Einrichtungen für Vereine oder Geschäfte genutzt.
Die heute noch fast vollständig erhaltene Stadtmauer ist bis zu 7,50 Meter hoch und umschließt auf 2,3 Kilometern Länge den Innenstadtkern von Neubrandenburg. Die einzigen Zugänge waren bis zur Öffnung der Stadtmauer in Höhe des Bahnhofes die vier Stadttore. Inzwischen gibt es über die Wallanlagen weitere Durchgänge zur Stadt.
Neben den vier Stadttoren und den Wiekhäusern gehört auch „der Wall" zur Stadtbefestigung von Neubrandenburg. Die Wallanlage wird aus einem Innenwall, der im Abstand von 20 bis 30 Metern von der Stadtmauer entfernt liegt, einem Außenwall und den dazwischen liegenden, ursprünglich wassergefüllten Gräben gebildet. Somit kann die Breite der gesamten Wallanlage an manchen Stellen bis zu 70 Metern betragen. Dieser, fast einzigartige, geschlossene Doppelringwall umgibt die Innenstadt und schafft zwischen den Bauten der Wehranlage zu jeder Jahreszeit eine beeindruckende Natur- und Farbenwelt. Heute ist der Wall von bis zu 300 Jahren alten Eichen, seltenen Arzneipflanzen und Küchenkräutern sowie einer botanisch besonderen Lauchart bewachsen, die dem Wall vor allem im Frühjahr seinen typischen aromatischen Duft verleiht.
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Bildquellen:
Neubrandenburg ist geprägt durch seine Lage am Tollensesee. Foto: Botaurus, Wikipedia, gemeinfrei
Blick vom noch unbebauten Datzeberg auf Neubrandenburg, Ölgemälde von H. Stoll, 1840 (Galerie Bassenge Berlin), gemeinfrei
Zeichnung: auss "Mecklenburg-Skizzen" von Gerhard Klein
Rekonstruktion (19.Jh.)eines Wiekhauses in der Neubrandenburger Stadtmauer. Foto: Botaurus, Wikipedia, gemeinfrei